Weltmeisterschaften 2003

Die Weltmeisterschaften im Rahmen des 44. Interstenokongresses fanden in diesem Jahr in der italienischen Hauptstadt Rom statt. An der WM nahmen auch sechs Wettschreiber(innen) des VKMB teil. Natürlich träumt jeder WM-Teilnehmer insgeheim von einem Platz auf dem Treppchen. Für zwei unserer Teilnehmer wurde der Traum vom "einmal-auf-dem-Treppchen-stehen" wahr:

Markus Schöffler konnte im Wettbewerb "Autorenkorrektur" (Erwachsenenklasse) alle übrigen Teilnehmer hinter sich lassen und wurde mit 220 Autorenkorrekturen in 10 Minuten Weltmeister. Dies ist bereits sein zweiter Erfolg bei einer WM nach seinem Vizeweltmeistertitel in der Autorenkorrektur (Juniorenklasse) bei der WM in Lausanne 1998.

Boris errang beim Mehrsprachenkurzschriftwettbewerb in der Erwachsenenklasse einen zweiten Platz und wurde somit Vizeweltmeister.

 

Römische Impressionen: Morituri oder was?

Nach längerer Abstinenz ging es in diesem Jahr endlich wieder zur WM. Die verheerenden Beschlüsse vor dem Kongress in Hannover hatten den Mehrsprachenwettbewerb fast zu Grunde gerichtet. Nach einem mühsamen Marsch durch die Instanzen war es gelungen, wieder die Grundlagen für eine realistische Konkurrenz zu schaffen. Allerdings waren viele Schreiber noch skeptisch, dass wieder Vernunft bei der Intersteno eingekehrt war. So war es nur ein kleines Teilnehmerfeld, eine Hessen Open Open, das in Rom mehrere Tage um die Krone der Mehrsprachler stritt.

Rom musste es wohl sein, da der seitherige Präsident der Intersteno aus Rom kommt. Damit war ein für die Teilnehmer teurer und heißer Kongress absehbar. Die Hitze führte bei vielen Stenografen dazu, dass sie nicht ihre Bestleistungen erreichen konnten. Bei den Übertragungen fielen zeitweise auch die Laptops aus. Eine Umstellung auf „Winterspiele“ in der Weihnachtspause wäre eine vernünftige Alternative.

Anmeldung und Abwicklung per Internet fielen positiv auf, auch wenn während des Kongresses plötzliche Programmänderungen besser auf anderem Wege bekannt gemacht werden sollten. Bei der Vorauswahl der Hotels zeigte die Kongressleitung kein gutes Gespür. Empfehlungen zu den öffentlichen Verkehrsmitteln gab es nicht. A propos Wettkampfstätten: Die Schule für die Steno-Wettbewerbe lag direkt gegenüber einer großen Feuerwache. Das störte aber nicht mehr als die fürsorgliche Gartenpflege vor der Schule per Rasenmäher.

Als größtes Manko fiel der eigens für diesen Kongress gestrickte Zeitplan (Di bis Sa) auf, der wieder unter das Motto „Zeit sparen, koste es, was es wolle!“ gestellt wurde. Darunter litten die meisten Wettbewerbe (Überschneidungen usw.). Der Mehrsprachenwettbewerb konnte ohnehin nur durch frühzeitig angereiste Ausrichter und Teilnehmer gerettet werden. In Wien wird man 2005 glücklicherweise zum gewohnten Zeitplan (Sa bis Fr) zurückkehren. Eine Woche Urlaub muss man ohnehin investieren. Auf Stippvisiten zum Wettschreibtag sollte man künftig keine Rücksicht mehr nehmen.

Ach ja, geschrieben wurde auch. Am Sonntagnachmittag ging es für mich mit Russisch und Dänisch los. Am Montag folgten dann Finnisch, Niederländisch und vier weitere Sprachen, am Dienstagvormittag noch mal zwei, so dass ich zu Kongressbeginn am Dienstagnachmittag schon fast fertig war. Niklas Varisto, der Mehrspachenweltmeister und Weltrekordhalter, und ich schrieben Runde um Runde. Eine Aufsicht erwies sich als unnötig.

Am Mittwoch ging es dann zum internationalen Stenowettbewerb (d. h. in der Muttersprache). Wieder war es sehr heiß. Da erfrischte der Wettschreibtext über das internationale Jahr des Wassers doch gewaltig. Auch wenn der Text inhaltlich nicht an die Schweizer Hinterbliebenenversicherung (WM 2001) oder gar an die 2542 verschiedenen Typen von Briefmarken (WM 1961) herankam, ersparte er doch einigen unserer Schreiber die Übertragung. Der Schwierigkeitsgrad war für WM-Texte normal, auch wenn sich einige Cracks über die „Toilettenspülungen“ bei Tempo 400 Sb/min wunderten. Der neue „ABC-Modus“, d. h. eine kombinierte P2- und Meisterklasseansage mit 15 Diktatminuten erwies sich dabei als durchaus akzeptabel. Allerdings war die Übertragungszeit mit knapp zwei Stunden zu knapp bemessen, ein Ergebnis der Zeitsparwut im Intersteno-Zentralkomitee.

Ein besonderes Highlight des Kongresses war die Sitzung der Generalversammlung der Intersteno (jaja, klingt wie in einem besseren Wettschreibtext). Dort wurde eine neue Satzung beschlossen. Dabei wurde die bisherige Satzung von zweieinhalb auf zwölf Seiten erweitert (und mit der Möglichkeit der Ergänzung durch Ausführungsverordnungen versehen)! Inhaltlich wurde neben guten Ansätzen (Einführung eines internationalen Vorstands) auch viel Unfug verankert. Bezeichnend ist die Möglichkeit, Kongresse ohne Wettschreiben durchzuführen. Dieses bürokratische Meisterwerk wurde mit Zweidrittelmehrheit und gegen die deutschen Stimmen beschlossen. Den Ausschlag gaben Landesgruppen bevölkerungsreicher Staaten wie der USA, Frankreichs und der Türkei, die mehr Stimmen als Kongressteilnehmer aufbieten konnten.  

Die per Internet übertragene Siegerehrung und ein wirklich schöner Abschlussabend rundeten einen Kongress ab, dessen Motto weniger die „Renaissance der Intersteno“ als ein „Quo vadis, Intersteno?“ war. Durch die Erfolge der Offenbacher Teilnehmer war unser Eindruck verständlicherweise nicht allzu negativ.

Für die nächste WM (2005 in Wien) ist schon avisiert, dass der Kongress im Wiener Rathaus (Walzer) tanzen wird. Ob in Wien irgendeine veritas zu finden wird oder auch nicht, für uns sollte diese Veranstaltung wieder fest zum Wettschreibkalender gehören!

Teil II des WM-Epos folgt demnächst!

Boris

 

Fotos von der WM...

 

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